Erwartungen bei Heim-EM
Die Vorbereitungen sind praktisch abgeschlossen. Nach der Eröffnungsfeier auf Schloss Heidelberg werden die Jungen am Dienstag ihre erste Runde bei der European Boys´ Team Championship in St. Leon-Rot bestreiten.
St. Leon-Rot – Kurz vor dem Start in diesen Saisonhöhepunkt für das deutsche Team hat Jungen-Bundestrainer Christoph Herrmann die Ausgangslage analysiert und eingeordnet.
Zu den selbst gesteckten Erwartungen im Vergleich zu denen, die vom Umfeld ans Team herangetragen wurden, erklärt Herrmann: „Die Vorzeichen bei dieser Team-EM sind so, dass sie die Ziele beinahe vorgeben. Sowohl für das Umfeld, als auch für das Team. Vier Spieler unseres Teams sind vor einem Jahr in Dänemark schon Europameister geworden. Dieses Jahr haben wir eine Heim-EM, was natürlich immer ein Vorteil zu sein scheint, wenn man zu Hause anders unterstützt wird und auf einem Platz spielt, den man dann doch noch besser kennt.
Es ist schwierig, irgendein anderes Ziel zu formulieren, als den Titel zu verteidigen. Das gilt von außen wie von innen. Man kann glaubhaft gar kein anderes Ziel benennen und deshalb setzen wir uns damit auch gar nicht auseinander. Man würde vielleicht gerne die Erwartungen etwas senken, indem man die Ziele nebulöser formuliert. Unter die ersten acht kommen, in den ersten Flight, um um die Medaillen zu spielen, sind sonst übliche Ziele. Aber in diesem Team steckt ganz klar der Wille, Europameister zu werden. Das Ziel wird von außen ans Team herangetragen, kommt aber genauso auch von innen. Unsere Aufgabe ist es, diese höchstmögliche Erwartungshaltung in praktische Handlungsideen zu gießen, mit denen wir das Training in der Vorbereitung gestaltet haben.“
Spürbarer Heimvorteil?
Auf die Frage, ob es wirklich einen spürbaren Heimvorteil gibt, differrenziert der Bundestrainer genau: „Aus Trainersicht bildet sich mehr eine Heimherausforderung als ein Heimvorteil ab. Den Heimvorteil empfinden wir in diesem Jahr als besonders gering, weil der Platz von fast neuen Abschlägen gespielt wird. Die neuen, schwarzen Abschläge gibt es noch nicht so lange und wir haben in diesem Jahr noch gar nicht so viel in St. Leon-Rot gespielt. Gleichzeitig gab es durch die German Boys Open für alle Nationen eine sehr gute Gelegenheit, im Wettkampf den Platz von Schwarz kennenzulernen.
Der Zustand des Platzes wird bei der Team-EM auch einmalig sein. Die Semiroughs werden höher stehen und die Roughs insgesamt werden stark sein. Die Grüns werden sicherlich noch härter. Der Heimvorteil dadurch, dass man den Platz also besonders gut kennt, ist daher insgesamt gering.
Was die Unterstützung angeht, werden wir viel mehr Freunde, Bekannte und andere Supporter vor Ort sein. Der Umgang mit viel Publikum, auch viel vertrautem Publikum, ist für die jungen Spieler auch eine neue Situation. Das ist durchaus auch eine Herausforderung.
Wenn es gut läuft, dann bildet sich dadurch ein Vorteil ab. Aber wenn es zäh wird, was in einem längeren Turnier immer wieder vorkommt, ist der Umgang mit dem Druck, der dann entsteht, sicher auch mehr Herausforderung. Auch hier versuchen wir, die Jungs gut darauf vorzubereiten.
Manchmal ist etwas leichter, wenn man im Ausland ist, nicht zu den Favoriten gehört und einfach sein Ding machen kann, weil man für sich ist und wenig in der Öffentlichkeit steht.
Das DGV-Leistungszentrum
Die Rolle von St. Leon-Rot als Standort des DGV-Leistungszentrums sieht Christoph Herrmann positiv: „Es ist sicherlich kein Nachteil, dass wir hier so oft sind und der Platz von den Athleten schon als Heimatplatz empfunden wird. Wir kennen die Wege, wir kennen uns aus. Ein bisschen Vorteil sehe darin durchaus, aber das wird nicht ausschlaggebend sein. Dass zwei der Spieler SLR sogar als Heimatclub haben, sehe ich eher als Vorteil, aber auch hier besteht die Herausforderung, den Platz, den man besonders gut kennen, in diesem besonderen Moment fokussiert anzunehmen. Auch diese Spieler müssen die finale Proberunde mit Spannung und Würze erleben. Für den taktischen Feinschliff ist es sicher ein kleiner Vorteil, dass auch Co-Trainer Marco Schmuck in SLR zu Hause ist. Wir müssen die Herausforderungen annehmen.“
Wünsche an das Umfeld
Vom Umfeld erhofft sich Christoph Herrmann Umsicht und vielleicht auch mal Nachsicht: „Es ist wahnsinnig wichtig, dass die Unterstützer ein Verständnis dafür gewinnt, dass bei einer solchen Team-EM die Mannschaft auch ein bisschen unter sich bleiben muss. Die Supporter sollten die Spieler in ihrer Konzentration lassen, nicht zu dicht hingehen. Es wird kein großes Roping geben, daher besteht ein bisschen die Gefahr, dass eine Distanzlosigkeit die Spieler abgelenkt werden. Die Spieler sind Willens, freundlich zu sein und keinesfalls arrogant rüber zu kommen. Sie wissen um die Außenwirkung. Aber es wird passieren, dass sie im Fokus, im Tunnel auch mal durch die Leute durchschauen und wenn sie dann blöde Reaktionen ernten, wäre das wirklich schwierig. Für die Supporter gilt: Kommt, unterstützt und haltet bitte trotzdem ein bisschen Abstand, auch wenn es die Freunde oder die Familie ist. Lasst die Spieler gerne ein bisschen unter sich sein und unterstützt mit ein bisschen Distanz.“
Kadermaßnahmen im DGV-Leistungszentrum
Zur Nutzung des DGV-Leistungszentrums in St. Leon-Rot erläutert der Jungen-Bundestrainer: „Wir sind sehr regelmäßig dort. 2020 und 2021 hatten wir sehr viele Lehrgänge dort, weil es durch die Corona-Restriktionen die einzige Möglichkeit war, überhaupt Lehrgänge durchzuführen. Durch die Sondergenehmigungen durften wir nur dort gemeinsam trainieren. Auslandsreisen waren lange nicht durchführbar. 2022 sind wir wieder mehr im Standardablauf. Regelmäßig finden in SLR Leistungsdiagnostik und Athletiklehrgänge statt, weil die Einrichtung dafür ideal sind. Im Winter sind wir mehr im Ausland, weil wir dort bessere Bedingungen, zum Beispiel auf den Grüns vorfinden. Insgesamt sind wir ungefähr 20 Lehrgangstage pro Jahr in St. Leon-Rot. Während der Corona-Einschränkungen war das aber viermal so viel.
Die Möglichkeiten, die wir in SLR für Analysen haben, auch durch die Nähe zum Olympiastützpunkt, sind perfekt. Besser kann man es sich nicht wünschen. Das Athletikzentrum ist Dreh- und Angelpunkt aller athletischen Ausbildung. Auch im Golferischen finden wir dort alles. Wir haben dort unser 3D-System stationiert, eine Indoor-Halle ermöglicht es uns, auch im Winter konzentriert sehr viele Stunden trainieren zu können, ohne sich bei Minusgraden immer wieder aufwärmen zu müssen.
Die Halle und das Athletikzentrum spielen daher eine entscheidende Rolle. In den anderen Zeiten greifen all die anderen Faktoren. Die Range ist herausragend, das Wedgodrom und Chipodrom sind phantastisch. Die gesteigerte Qualität der Übungsgrüns hilft uns sehr bei der Vorbereitung auf internationale Turniere. Schon relativ früh im Jahr waren die Grüns richtig gut. Die Übungseinrichtungen suchen europaweit ihresgleichen und auch weltweit sind die Möglichkeiten hier ganz vorne dabei. Darüber sind wir sehr glücklich.“